Ressourcen

Wagen wir nun einen Blick auf die sehr umfangreichen wie vielseitigen Ressourcen aus denen sich Dramatherapie zusammensetzt. Diese Ressourcen werden zur Überischt in 5 Säulen zusammengefasst.

 

Sehr empfehlenswert ist die Übersicht von David R. Johnson, die sehr kompakt die wesentlichen Strömungen von Dramatherapie seit den 1950er Jahren zusammenfasst.


 

Gliederung

5 Säulen der Dramatherapie

 

  1. Psychodynamische Theorien
  2. Dramatherapeutische Programme
  3. Dramatherapeutische Interventionen
  4. Medium Theater

             4.1 Theaterformen            

             4.2 Epochen

         5. Künstlerisches Material

           

Quelle: Screenshot aus eigener PPT-Präsentation, 2015



1)  Psychodynamische Theorien                                                        &                                             2)                       Dramatherapeutische Programme [Beispiele]

3)                         Dramatherapeutische Interventionen

4)                          4.1)                        Medium Theater: Theaterformen

4)                          4.2)                        Medium Theater: Epochen               [Beispiele]

Dramatherapie auf einen Blick:

 

"Historical Roots Of Drama Therapy Approaches, 1900-2000" David R. Johnson

(Bild klicken zum Vergrößern)

Quelle:

Johnson, D. R., & Emunah, R. (2009). Current approaches in drama therapy. Springfield, Ill: Charles C. Thomas.

 

Diese Übersicht gibt einen fundierten Überblick über ausgewählte dramatherapeutische Strömungen bzw. Therapie-Programme.

Ihre ursprünglichen Verbindungen zu psychodynamischen und theatergeschichtlichen Strömungen werden sichtbar, sodass sich eine Entwicklung nachvollziehen lässt.

DramatherapeutInnen weltweit machen von diesen Ressourcen Gebrauch, um diese anwendungsbezogen und problemlösungsorientiert für den konkreten Einzelfall zu kombinieren.

Der vielleicht wichtigste Kern von Dramatherapie ist die Kreativität des einzelnen Therapeuten. Diese wird bei den Interventionen bzw. Interventionstechniken sichtbar. Dramatherapie-Programme sind die Verdichtung erprobter Techniken auf Grundlage einer psychodynamischen Theorie im Hinblick auf die Lösung einer konkreten Anforderung.

Dieser Baustein ist der vielleicht wichtigste und komplexeste von allen. Phil Jones gibt mit seiner Erforschung der "Core Processes" eine erste Orientierung zu diesem Thema.

 

Ein wesentliches Merkmal für das Medium Theater ist seine Wandelbarkeit. Es hat als Medium viele Metamorphosen erlebt und entwickelt sich, manchmal sogar erfindet es sich, stetig neu.

Dies macht sich Dramatherapie zunutze, indem es die unterschiedlichen Formen und Ausgestaltungen des Mediums Theater für therapeutische Zwecke zunutze macht.

Weil das Medium Theater sehr viele unterschiedliche Ausgestaltungsformen angenommen hat, lässt es sich vielfältig therapeutisch einsetzen.

 

Bekannte Formen sind:

- Schaukastentheater, ist die wahrscheinlich geläufigste Theaterform, die sich durch ihre Bühne als Handlungsort kennzeichnet. Meist gibt es eine Stückidee, ein Script mit festen Rollen, Text und einstudierten Abläufen. Wiederholbarkeit ist ein zentrales Element.

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Introspektion

Durch die Wiederholbarkeit von Rollen und Szenen kann Struktur geschaffen werden, um valides Rollenmaterial zu erarbeiten. Es bietet die Möglichkeit, mit etwas Abstand auf eine entwickelte Szene schauen zu können. Erkenntnisse und Handlungsanpassungen sind möglich.

 

- Improvisationstheater, ist eine Form, bei der es kein vorgeschriebenes Script einer Szene oder eines Stückes gibt. Es wird aus dem geschöpft, was in dem Moment da ist und stattfindet. Rollen, Requisiten oder ein Thema sind eher dazu gedacht, einen konkreten Anstoß oder ein übergeordnetes Thema zu bieten.

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Affektsteuerung und Stärkung von intuitiven Handeln (Ich-Stärkung)

 

- Theatersport, ist eine besondere Form von Improvisationstheater, wobei einzelne Spieler oder Gruppen gegeneinander auf der Bühne antreten, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Es wird mit dem Publikum besonders aktiv interagiert, weil das Publikum nach einem Regelwerk bestimmte Vorgaben machen kann, auf die die Spieler reagieren müssen. Assoziationsvermögen, intuitives Handeln, deutliche Körpersprache und Mut sind hier gefragt. Durch den sportiven Erwartungsdruck der Zuschauer kommt auch die Anforderung Handlungsschnelligkeit dazu.

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Ähnlich wie beim Improvisationstheater wird die Ich-Stärkug traininert.

Durch den Erwartungsanspruch des Publikums wird dieser Effekt verstärkt, weil es um ein erfolgreiches Produkt geht.

 

- In-Your-Face-Theater, ist eine sehr radikale Theaterform, weil sie den Nachdruck auf unmitelbare Äußerung von Gefühlen legt. Hierbei geht es nicht um eine künstlich gestaltete Verkörperung von Gefühlen oder Zuständen. Stattdessen geht es um eine rohe, direkte und ursprüngliche Äußerungsform. Diese ist z.B. durch Schreien, Fäkalsprache und Entblößung gekennzeichnet.  

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit erfahren und ausleben

 

- Pantomime, zeichnet sich durch seine besondere Form aus: der schweigenden und körperbetonten, darstellenden Darbietung als Ausdrucksform. Das zu erzählende muss allein mit den Mitteln des Körpers Form gegeben werden. Es gibt auch hier keine moderierende Erzählstimme. Licht und Musik können als Verstärker eingesetzt werden. 

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Emotionale Externalisierung Hierdurch wird der Darstellende gezwungen, sowohl im Körper als auch im Hier und Jetzt zu sein. Die körperliche Darstellung muss derart deutlich sein, dass alles zu erzählende einfach zu verstehen ist.

 

- Hidden Theatre, ist eine Form, bei der allein die Beteiligten um das theatrale Geschehen wissen. Es wird bewusst ein öffentlicher Platz gewählt, bei der eine Theaterszene gespielt wird. Hierbei wird bewusst mit der inszenierten theatralen Realität und der 'echten' Realität, in der das Ganze eingebettet ist, gespielt. Z.B. inszenieren zwei Darsteller einen Streit in einer U-Bahnstation. Die Reaktionen der Passanten sind unmittelbar und beeinflussen wechselseitig die Reaktionen der Darsteller. Ein Motiv für das 'Stück' könnte sein, Passanten für Rassismus zu sensibilisieren, welches das Thema dieses 'Streits' war.

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Internalisierung von erprobten Rollenmaterial. Es können Rollen unter 'Echt-Bedingungen'. Bei Exposure in vivo / Exposure in vitro wird dieser Mechanismus ganz bewusst eingesetzt, um ein neues Erleben eingefahrener Muster zu erzielen.

 

- Figurentheater, ist eine indirekte Form, wenn man von einem Darsteller ausgeht, der sich selbst unmittelbar mit seinem Körper über Gestik, Mimik, Stimme und Körperlichkeit darstellt. Stattdessen werden stellvertretend Figuren, wie z.B. Puppen oder Gegenstände eingesetzt, um das zu erzählende abzubilden.

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Schwere Traumatische Erlebnisse durch Projektion und Distanz verarbeiten. Das Figurenspiel ermöglicht eine besondere Form der Projektion beim Betrachten, weil das Figurenspiel als ein selbstständiges Medium genutzt wird. Schon das Erstellen der Figuren kann einen therapeutischen Zweck erfüllen. Der Fokus auf ein Thema kann besser gehalten werden. Durch die indirekte Perspektive kann ein besonderer Sicherheitsabstand zum Gespielten eingenommen werden.

 

- Performance, ist eine sehr breite und vielfältige Form, die viele Elemente miteinander kombiniert und prinzipiell überall stattfinden kann.

Mögliche therapeutische Zielsetzung: Mit eigenem darzustellenden Material gesehen zu werden. Es kann besonders die Erfahrung von Öffentlichkeit gemacht werden, um letztlich in einen Dialog zu treten.

 

Um einen Einrduck davon zu bekommen, wie historisch tief verwurzelt der Gestaltungswille von Menschen ist, sich über das Medium Theater auszudrücken und welche höchst vielfältigen Möglichkeiten dieses Medium besitzt, wird folgend der Blick auf ein paar ausgewählte bedeutende Künstler freigegeben. Allen gemein sind ihre eigenen, individuellen Ziele und Ansprüche, die sie in kulturprägende Epochen definiert und umgesetzt haben.

 

- Commedia dell’arte: Ist eine theatrale Form, die im 16. Jahrhundert revolutionär war, weil die Darsteller weder einem Textautor noch einer Inszenierung verpflichtet waren. Die Darsteller emanzipierten sich von jeglichen Konventionen und Erwartungen an das Darstellende Spiel jener Zeit und gingen eigenen Fragestellungen nach. Kennzeichnend ist auch die hohe Individualisierung der Darsteller, die versucht waren, eigene (wiedererkennbare, authentische) Charaktere zu entwickeln.

Nebeneffekt: Ein gesellschaftliches Spiegelbild entstand von selbst, weil sich Fragestellungen aus den Lebensumständen der damaligen Zeit ergaben. Damit war das künstlerische Wirken sehr viel dichter an den Protagonisten dran. 

 

- William Shakespear

 

- Richard Wagner, Gesamtkunstwerk: Es war und ist eine neue Epochenbegründung, weil erstmals das Publikum nicht nur zum konsumieren einer Darbietung oder Verkündung, sondern als aktiver Rezipient verstanden und in die spektakulären Präsentationen aktiv eingebunden wurde. Es wurde bewusst die Frage gestellt: Was ist machbar, wahrnehmbar und was nicht? Im Grundgedanken ging es um eine Erforschung von Wahrnehmbarkeit und ihre Auswirkungen auf den Einzelnen, in dem bewusst die Wahrnehmungskanäle überstrapaziert wurden.

 

- Erwin Piscator, Politisches Theater: Piscator geht, ausgehend von Wagner, noch einen Schritt weiter, indem er eine aktive Auseinandersetzung und reflektierte Einbringung des Zuschauers fordert. Zentral geht es um das gemeinschaftliche Erleben von Dargestelltem vor einem politischen Hintergrund. Ähnlich wie Wagners Gesamtkunstwerk wird der Zuschauer nicht nur als Zuschauer, sondern als Teil des Ganzen gesehen. Bezeichnend sind bei Piscator seine, im Verlauf seines Schaffens weiterentwickelten, spektakulären und revolutionären Bühnenbauten. Damit soll und wird der Zuschauer als Teilnehmer noch mehr in das Geschehen hineingezogen. Das Stück endet nicht mit dem letzten Vorhang, sondern soll über den Bühnenraum hinaus in die Gesellschaft hineinwirken. Im Zentrum stand die aktive Beteiligung, sich am Meinungsbildungsprozess einzubringen und fortzubilden.

 

- Berthold Brecht, episches Theater

- Samuel Beckett & Eugène Ionesco

- Sarah Kane

 

Allen Theater-Epochen ist gemein, dass sie mit dem Medium Theater soziale, politische und psychologische Zustände auf sehr unterschiedliche Weisen erforschen, beschreiben, näherbringen und ausdrücken.

 

Besonders interessant bei all diesen Künstlern ist hierbei auch der zeitgeschichtliche Kontext in dem sie gearbeitet und gelebt haben. Er bildet sich natürlich in ihrer Arbeit ab.

Genau das passiert auch bei Patienten, die z.B. ein Trauma erlebt haben oder die von ihrem hyper entwickelten Arbeitsleben Burn-Out gefährdet sind. Es bildet sich auch beim Recruiting ab, wo es um die Frage geht: welches Job-Profil und welches Bewerber-Profil ist für ein Unternehmen passend. Oder auch bei Fragen wie: Wie bekommen wir eine kommunikativere Unternehmenskultur hin? Wie können Mitarbeiter eine Möglichkeit erhalten, sich emotional aufzuladen und fast nebenbei dabei ein besseres Verhältnis zu Kollegen aufbauen?

Für alle diese Bereiche und Fragen kann Dramatherapie Lösungen entwickeln und anbieten.

 


5)               Künstlerische Mittel

Eine nicht zu unterschätzende Ressource sind Requisiten, Kostüme, Masken, Bühnenbild und gegebenenfalls Licht und Musik, weil sie spielunterstützend wirken können.

 

- Requisiten, Kostüme, Masken helfen besonders am Anfang als eindeutige Projektionsmittel intrapsychisches Material greifbar und konkret zu machen. Ein eingegrenzterer und damit deutlicherer Fokus ist möglich. Zudem wird eine bessere Abgrenzung zwischen Spiel und Realität deutlich, wenn z.B. ein Feuerwehrhelm an- bzw. wieder abgelegt werden kann. Requisiten bieten die Möglichkeit, sich im Schutz der Rolle anders ausprobieren zu können und einen Perspektivwechsel erlebbar zu machen. Das Erlebte in der Rolle kann eindeutiger auf eine Spielebene verlagert werden, um letztlich spielerisch introspektiv arbeiten zu können.

 

- Bühnenbild, kann ähnlich wie Requisiten ein konkret greifbares Spielangebot machen. Es grenzt räumlich ab und kann Bewegungsräume definieren und ist damit eine spielerische Erweiterung eines klar abgegrenzten Therapieraumes.

 

- Licht und Musik, kann den künstlerisch-therapeutischen Prozess verstärken und beschleunigen, indem es das emotionale Erleben intensiviert. Es kann für räumliche wie zeitliche Abgrenzung sorgen.

 



"Das ist ja alles schön und gut" werden Sie jetzt vielleicht denken.

Aber wie werden jetzt daraus Therapie oder Fortbildungs-Programme?

 

Das erklärt der nächste Schritt!